Berlin (kobinet) "Staatenprüfung in Genf: Es geht um Menschenrechte, nicht um Sichtweisen!" So bringt die Leiterin der deutschen zivilgesellschaftlichen Delegation und Vorsitzende des Sprecher*innenrates des Deutschen Behindertenrats (DBR), Prof. Dr. Sigrid Arnade, ihren persönlichen Rückblick auf die Staatenprüfung Deutschland vom 29. und 30. August 2023 durch den Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen der Vereinten Nationen in Genf auf den Punkt. "Den Parallelbericht für die Staatenprüfung in diesem Jahr durch den UN-Fachausschuss zu koordinieren und zu finalisieren, war vor allem für die Weibernetz-Frauen echte Knochenarbeit. Die Genf-Reise zur Staatenprüfung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) war auch aufwändig und anstrengend. Rückblickend muss ich als Leiterin der deutschen zivilgesellschaftlichen Delegation aber sagen: Es hat sich gelohnt!" Dies schreibt Prof. Dr. Sigrid Arnade in ihrem persönlichen Rückblick.
Staatenprüfung in Genf: Es geht um Menschenrechte, nicht um Sichtweisen!
Ein persönlicher Rückblick von Prof. Dr. Sigrid Arnade
Den Parallelbericht für die Staatenprüfung in diesem Jahr durch den UN-Fachausschuss zu koordinieren und zu finalisieren, war vor allem für die Weibernetz-Frauen echte Knochenarbeit. Die Genf-Reise zur Staatenprüfung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) war auch aufwändig und anstrengend.
Rückblickend muss ich als Leiterin der deutschen zivilgesellschaftlichen Delegation aber sagen: Es hat sich gelohnt! Die Ausschussmitglieder haben sehr gute pointierte Fragen gestellt und eine deutliche menschenrechtlich fundierte Position bezogen, wenn Mitglieder der deutschen Regierungsdelegation mit einer anderen Sichtweise argumentierten. So konstatierten die Ausschussmitglieder, dass es hier nicht um unterschiedliche „Sichtweisen“, sondern um eindeutige menschenrechtliche Vorgaben geht, zu deren Umsetzung sich Deutschland verpflichtet hat. Die Ausschussmitglieder kritisierten insbesondere die deutschen Exklusionsstrukturen in der Bildung, auf dem Arbeitsmarkt, beim Wohnen sowie die Anwendung von Zwang gegenüber Menschen mit psychosozialen Beeinträchtigungen.
Die Vorstellung der deutschen Regierungsdelegation hingegen wirkte teils unvorbereitet, teils peinlich. Lediglich der Delegationsleiter, Staatssekretär Dr. Rolf Schmachtenberg, räumte Handlungsbedarf ein. Auch der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Jürgen Dusel, bezog freimütig eine kritische Position und benannte neben den Problembereichen der Bildung und des Arbeitsmarktes auch die mangelnde Barrierefreiheit beispielsweise bei Arztpraxen.
Ich vermute, dass wir mit unserem Parallelbericht (siehe: https://www.deutscher-behindertenrat.de/ID292569), unserem Statement in Genf sowie den Gesprächen mit Ausschussmitgliedern vor und während der Staatenprüfung zu deren kompetenter Einschätzung der deutschen Behindertenpolitik beigetragen haben. Sehr wichtig waren in diesem Zusammenhang auch die fachkundigen Ausführungen und Statements der Monitoringstelle zur UN-Behindertenrechtskonvention (deren Parallelbericht siehe: https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/publikationen/detail/parallelbericht-an-den-un-fachausschuss-fuer-die-rechte-von-menschen-mit-behinderungen), mit der wir uns nach meiner Einschätzung gut ergänzt haben.
Jetzt sehe ich mit Spannung den „Abschließenden Bemerkungen“ als Ergebnis der Staatenprüfung entgegen. Wenn diese eine ähnliche Stringenz und Klarheit aufweisen, wie die Fragen der Ausschussmitglieder, wovon ich ausgehe, dann bekommen wir ein starkes Werkzeug in die Hand, um die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention einzufordern. Den Regierungen von Bund und Ländern rate ich, endlich die Menschenrechte ernst zu nehmen.