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Barrierefreiheit erhellt die Welt

Berlin: Anlässlich des US-amerikanischen Nationalfeiertages am 4. Juli hat die Sprecherin der LIGA Selbstvertretung, Prof. Dr. Sigrid Arnade, mit der Freiheitsstatue Lady Liberty ein Gespräch über die Herstellung von Barrierefreiheit in den USA und in Deutschland geführt.

Arnade: Liebe Lady Liberty, dein großes Vorbild steht seit 1886 in New York und hat das Motto „Freiheit erhellt die Welt“. Du bist ja ihre Schwester im Geiste, richtig?

Lady Liberty: Genau, ich war einige Zeit auf Tour, bin aber jetzt schnell zurück nach Berlin gekommen, da die Zeit drängt, wie ich hörte.

Arnade: Ja, der Koalitionsvertrag der Ampelregierung sieht zwar vor, dass auch die privaten Anbieter*innen von Waren und Dienstleistungen zu Barrierefreiheit und angemessenen Vorkehrungen verpflichtet werden sollen, aber es passiert nichts. In den USA gibt es bereits seit 1990 den „Americans with Disabilities Act“ (ADA). Dort sind die Privaten zur Barrierefreiheit verpflichtet, und die Wirtschaft ist deshalb nicht pleite gegangen. Kannst du mir verraten, warum das hierzulande nicht klappt?

Lady Liberty: Nach meinen Informationen liegt das wohl an der FDP – das Justiz- und das Finanzministerium werden von einer Partei geführt, die sich als „freiheitlich“ versteht. Doch dies ist ein falsches Verständnis von Freiheit – ich weiß ja, wovon ich spreche. Solange Menschen mit Behinderungen nicht die Freiheit haben, sich in ein Restaurant, ein Hotel, ein Kino oder eine Eisdiele ihrer Wahl zu begeben, werden sie diskriminiert, sind nicht frei in ihren Entscheidungen, nicht frei in ihrem Leben. Das müssten diese Minister verstehen und „erhellt“ werden.

Arnade: Bei uns heißt es, die Pflicht zur Barrierefreiheit sei zu teuer. Was hat es denn in den USA gekostet? Gibt es Zahlen dazu?

Lady Liberty: Nach der Einführung des ADA gab es einmal eine Studie. Nach der haben 80 Prozent der Anpassungsmaßnahmen nicht mehr als 500 Dollar gekostet. Aber mir ist wichtig, diese Frage nicht unter einem Kostenaspekt zu diskutieren, es kommt ja immer auf den Einzelfall an. Wichtiger war bei uns in den USA, dass wirklich alle, egal ob öffentlich oder privat, vom Gesetz erfasst waren. Und dann haben die Unternehmen befürchtet, an den Pranger gestellt oder verklagt zu werden, wenn sie nicht barrierefrei werden. Dabei konnten sie ja auch Vorreiter für Barrierefreiheit werden, wenn sie nur wollten und dadurch auch mehr Umsätze erzielen.

Arnade: Was kann denn nun die deutsche Regierung tun? Sie verhält sich ja so, als habe sie keinerlei Einflussmöglichkeiten.

Lady Liberty: Ich denke, sie könnte Einiges tun, wenn sie wollte. Erstens könnte sie mutig sein und eine gesetzliche Verpflichtung beschließen, so wie es im Koalitionsvertrag steht. Zweitens könnte sie die Gewährung von Finanzmitteln an die Herstellung von Barrierefreiheit knüpfen. Und drittens, das haben wir auch bei uns in den USA gemacht, könnte die Regierung bewusstseinsbildend wirken, Hilfestellungen geben, Anleitungen verfassen und somit Anstöße geben und zeigen, dass es ihr Ernst ist und sie etwas erreichen will. Solange die Regierung so tut, als ginge sie alles nichts an, passiert auch nichts.

Arnade: Darf ich dir einen Vorschlag machen, Lady Liberty? Willst du uns bei unseren Aktionen für die Umsetzung des Koalitionsvertrages begleiten und unterstützen?

Lady Liberty: Na klar, ich bin bereit. Wann soll es losgehen? Wohin geht es zuerst? Ich denke, wir machen das unter dem Motto „Barrierefreiheit erhellt die Welt“, oder?

Das Gespräch wurde aufgezeichnet von H.-Günter Heiden