Berlin: Die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) rät den Betreibern des neu eröffneten Flughafens Berlin Brandenburg (BER) dringend zu umfassenden Nachbesserungen hinsichtlich einer barrierefreien Nutzung durch behinderte Fluggäste. Bei einer Besichtigung ohne Zeitdruck drei Wochen nach der Eröffnung konnte die Ex-ISL-Geschäftsführerin Dr. Sigrid Arnade die große Anzahl unvermuteter Barrieren kaum fassen: "Aufzüge sind zu klein oder fahren nicht; die Elektrik bei einem barrierefreien WC ist ausgefallen; Leitstreifen führen vor eine Glaswand“, beschreibt Sigrid Arnade ihre Eindrücke.
Vom Terminal 1 zum Terminal 2 müssten Fußgänger*innen eine Strecke von circa 250 Metern mit einer steilen Treppe überwinden. Der barrierefreie Weg mit Aufzug sei laut Arnade etwa doppelt so lang. "Das betrifft ja nicht nur Flugreisende im Rollstuhl, sondern auch Leute mit viel Gepäck“, erläutert Sigrid Arnade. "Diese sollen an Flughäfen bereits gesichtet worden sein“, fügt sie ärgerlich hinzu. Mit dem neuen Flughafen-Express (FEX) der DB mit alten Doppelstockwagen sei der Flughafen auch nicht barrierefrei zu erreichen, und die Liste der Mängel ließe sich Arnades Angaben zufolge fortsetzen.
Stattdessen erwartet die ISL – bekannt für ihre konstruktive Kritik – konkret folgende Nachbesserungen innerhalb des nächsten halben Jahres, wie es in einer Presseinformation des Selbstvertretungsverbandes behinderter Menschen heißt:
- Einsatz barrierefreier FEX-Wagen zum Flughafen, die rollstuhlfahrende Fluggäste ohne fremde Hilfe besteigen und verlassen können;
- Ansagen im FEX nicht nur auf Deutsch, sondern mindestens auch auf Englisch (sollte doch ein internationaler Flughafen werden, oder?);
- Displays in den Wagen, die die aktuellen Flugverbindungen oder auf dem Weg zum Hauptbahnhof die Zugverbindungen anzeigen;
- Nachbesserung der Aufzüge im Flughafengebäude, so dass die Türen rasch und vollständig öffnen und schließen bei robuster elektronischer Steuerung;
- Bau eines geräumigen Außenaufzugs neben der Treppe auf dem Weg vom Terminal 1 zu Terminal 2;
- Überprüfung und unverzügliche Reparatur bei Elektronikschäden an den barrierefreien Toiletten;
- Überprüfung und Anpassung der Leitsysteme;
kontrastreiche Markierungen;
Parkerleichterungen wie bislang am Flughafen Tegel üblich: kostenlose Kurzparkmöglichkeit mit Parkausweis von drei Stunden; bei längeren Parkzeiten Gebühren für behinderte Fluggäste mit Parkausweis nur für die ersten 24 Stunden.
Aber nicht alles ist schlecht, hat Sigrid Arnade festgestellt: So gebe es erfreulich viele barrierefreie WCs, die aber teilweise nur bei den Männertoiletten angedockt sind. Von Sachverstand zeuge dagegen die Notrufleine dicht über dem Boden. Auch Infosäulen und abgesenkte Info-Schalter habe sie entdeckt, berichtet Arnade.
"Nun ist aber die Flughafengesellschaft am Zug und muss rasch für Nachbesserungen sorgen“, fordert Sigid Arnade. "Als ISL werden wir die Fortschritte kritisch begleiten. Keinesfalls darf es eine jahrelange Hängepartie geben wie bei der Fertigstellung des Flughafens.“