Berlin: Heute in vier Monaten am 25. Juni 2021 tritt der Deutsche Bundestag nach dem derzeitigen Sitzungsplan zu seiner letzten Sitzung in dieser Legislaturperiode zusammen. Was bis dahin nicht beschlossen ist, muss in der nächsten Legislaturperiode nach der Bundestagswahl am 26. September neu in den Bundestag eingebracht werden. Also sind gerade noch vier Monate Zeit für weitere dringend nötige behindertenpolitische Reformen wie ein Barrierefreiheitsgesetz oder das Teilhabestärkungsgesetz.
Wird es der Bundesregierung und den Bundestagsabgeordneten noch gelingen, entscheidende Verbesserungen zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention zu beschließen. Der UN-Ausschuss für die Rechte behinderter Menschen hat Deutschland bei der letzten Staatenprüfung einiges ins Stammbuch geschrieben. Daher werden von den Behindertenverbänden noch einige Erwartungen an die Bundesregierung und vor allem letztendlich an die Bundestagsabgeordneten gerichtet. Die Corona-Pandemie hat dabei sozusagen ein Schlaglicht auf das zum Teil äusserst miserable Verständnis von Inklusion in der bundesdeutschen Behindertenpolitik gerichtet. Diejenigen, die dem Ziel der Inklusion näher gekommen sind, zu Hause leben und ihre Hilfen dort organisieren oder in Anspruch nehmen, wurden fast durchweg schlechter bei Maßnahmen gegen die Pandemie berücksichtigt als diejenigen, die in Heimen leben.
Bei der Barrierfreiheit ist deutlich geworden, an wie vielen Ecken und Enden es fehlt. Die Versäumnisse der großen Koalition von 2016, wo die privaten Anbieter von Dienstleitungen und Produkten nicht zur Barrierefreiheit bei der Änderung des Bundesbehindertengleichstellungsgesetzes verpflichtet wurden, müssten ständig nachgeholt werden. Da ist auch noch der European Accessibility Act (EAA), der bis 28. Juni 2022 in deutsches Recht umgesetzt sein muss. Hier wäre es hilfreich, wenn in dieser Legislaturperiode noch die entsprechenden Regelungen beschlossen werden könnten. Und was liegt da ferner als gleich ein gutes Barrierefreiheitsgesetz draus zu machen, das für eine umfassende Barrierefreiheit nach dem Restart aus der Corona-Pandemie sorgt.
Weitere Themen, wie die von Hubertus Heil am 3. Dezember angekündigte Verdopplung der Ausgleichsabgabezahlung für beschäftigungspflichtige Betriebe, die keinen einzelnen behinderten Menschen beschäftigen, stehen auch noch auf der Agenda. Im bisherigen Entwurf für ein Teilhabestärkungsgesetz ist dazu noch nichts drin. Werden die Abgeordneten des Deutschen Bundestages da Flagge für mehr Beschäftigung behinderter Menschen zeigen und dies entsprechend in dem Gesetz verankern? Assistenz im Krankenhaus ist ein weiteres Thema, das dringend gelöst werden müsste, sowie die Abschaffung der bürokratischen Anrechnung des Einkommens und Vermögens. Eine ähnliche Lösung für behinderte Menschen, die Hilfen nutzen, wie für die Angehörigen im Angehörigenentlastungsgesetz wäre hier naheliegend.
Ob im Superwahljahr 2021 noch einiges an längst überfälligen Verbesserungen gelingt, dürfte entscheidend damit zu tun haben, ob es behinderten Menschen gelingt, deutlich zu machen, welche Stimmen sie in die Waagschale werfen und was uns wichtig ist. Am 14. März finden bereits Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, sowie Kommunalwahlen in Hessen statt. Das ist ein wichtiger Stimmungstest. Wenn also Veränderungen beschlossen werden sollten, dann müsste dies bis spätestens 25. Juni im Bundestag geschehen, um die Regelungen in der letzten Sitzung des Bundesrates vor der Bundestagswahl am 17. September beschließen zu können. Spannende Zeiten dürften da noch vor uns liegen.