Berlin: Laut Ansagen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) soll die EU-Richtlinie 2019/882 zum Europäischen Barrierefreiheitsgesetz (EAA) entsprechend des Koalitionsvertrages weitgehend 1:1 in nationales Recht umgesetzt werden. Was steht denn im Koalitionsvertrag wirklich dazu drin? Dieser Frage ist Hans-Günter Heiden vom NETZWERK ARTIKEL 3 nachgegangen und hat sich den Koalitionsvertrag zwischen CDU, SPD und CSU genauer angeschaut.
Bericht von Hans-Günter Heiden
Im Koalitionsvertrag der 19. Legislaturperiode wird an insgesamt 6 Stellen das Verhältnis 1:1 genannt, bei denen es meist um die Umsetzung von EU-Vorgaben geht:
Zeile 396 (Bürokratieabbau)
Zeile 633 (Verteidigung)
Zeile 2547-9 (Industrie: Dazu brauchen die Unternehmen Planungs- und Rechtssicherheit im Planungs- und Umweltrecht, z. B. durch schnellere, einfachere Genehmigungsverfahren und eine konsequente 1:1-Umsetzung von EU-Vorgaben.)
Zeile 2910 (Bürokratieabbau)
Zeile 6455 (Umwelt)
Zeile 6837 (Verteidigung)
Die einzige Stelle, auf die sich meines Erachtens Bezug nehmen lässt, ist die Industrie. Hier wird es aber auch nur als Nebensatz und als ein mögliches Beispiel angegeben. Es lässt sich meines Erachtens also keine zwangsläufige Vorgabe für eine 1:1-Umsetzung des EAA aus dem Koalitionsvertrag herauslesen. Die Begriffe "Erhöhung des Pauschbetrages“ oder "Verdoppelung der Ausgleichsabgabe“ kommen im Koalitionsvertrag ja auch nicht vor. Trotzdem hat das BMAS sie in Angriff genommen.
Auf diese Zeilen könnte man sich seitens des BMAS auch stützen:
Generelles im Koalitionsvertrag zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen (Zeile 4328 – 32)
"Menschen mit Behinderungen haben einen Anspruch auf gleichberechtigte Teilhabe in allen Bereichen unserer Gesellschaft. Mit dem Bundesteilhabegesetz haben wir einen wichtigen Schritt zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention getan. Seine Umsetzung werden wir in den kommenden Jahren intensiv begleiten und gleichzeitig die Teilhabe weiter fördern."
Und was sagt der Koalitionsvertrag zur Barrierefreiheit?
Barrierefreiheit (Auszug KoaV Zeile 4356 bis 4374)
"Wir wollen behinderungsgerechten, barrierefreien Wohnungsbau und barrierefreie Mobilität fördern, damit Menschen mit Behinderungen eine Wahl haben, wo und wie sie leben wollen.
Wir wollen darüber hinaus Initiativen zu mehr Barrierefreiheit in Städten und Gemeinden stärken.
Wir wollen Anreize auch durch Förderprogramme zur Verbesserung der Barrierefreiheit in den Kommunen setzen (z. B. Einsatz leichter Sprache und Gebärdendolmetscher, mobile sanitäre Anlagen, barrierefreie Veranstaltungen).
Im Rahmen der Weiterentwicklung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) werden wir prüfen, wie Private, die Dienstleistungen für die Allgemeinheit erbringen, angemessene Vorkehrungen umsetzen können. Ein erster Schritt wird den Gesundheitssektor betreffen.
Die Digitalisierung eröffnet neue Teilhabechancen insbesondere für sinnesbehinderte und mobilitätseingeschränkte Menschen. Hier wollen wir einen Schwerpunkt im Nationalen Aktionsplan setzen.
Wir werden darauf hinwirken, dass die Produzenten der Medien ihren Verpflichtungen nachkommen, zugängliche und barrierefreie Angebote in Film, Fernsehen und Print anzubieten. Dabei haben die öffentlichen Medien eine Vorbildfunktion."