Berlin: Die CDU will das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) auf Bundesebene weiterentwickeln und hierbei die Barrierefreiheit verstärkt in den Blick nehmen. Barrierefreiheit müsse dabei über die Verantwortung des Bundes, der Länder und Kommunen hinaus gehen und im privaten Bereich verbessert werden. Dies gelte für allgemein zugängliche Räume und Dienstleistungen, vor allem im Gesundheitswesen, aber mit Augenmaß. So heißt es u.a. auf der Internetseite der CDU Deutschland. Allerdings beziehen sich diese Aussagen auf die Vorhaben in der nächsten Legislaturperiode. Dabei stellen sich Betroffene die Frage, ob die CDU sich bei gegenwärtigen Gesetzesreformen des BGG im Rahmen des Teilhabestärkungsgesetzes und bei der Umsetzung des European Accessibility Acts (EAA) auch für diese Ziele einsetzt.
"Wir werden auch in der kommenden Legislaturperiode das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) weiterentwickeln und hierbei Barrierefreiheit verstärkt in den Blick nehmen. Der Bund geht mit gutem Beispiel voran. Die Länder und Kommunen sind aufgefordert, in ihren Bereichen ebenfalls umfassende Barrierefreiheit herzustellen. Allerdings ist Barrierefreiheit auch darüber hinaus im privaten Bereich zu verbessern. Dies gilt für allgemein zugängliche Räume und Dienstleistungen, vor allem im Gesundheitswesen. Es muss hier mit Augenmaß unter Einbeziehung der Beteiligten vorgegangen werden. Eine allgemeine Einheitslösung kann in der Praxis nicht funktionieren und würde zu unverhältnismäßigem Kostenaufwand führen. Wir wollen verbindliche Regelungen für die Verwendung der Leichten Sprache (in der BITV 2.0) und eine verbindliche Festlegung des Begriffs der 'Barrierefreiheit'. In Zukunft muss klar sein, was die Abgrenzung dieses Begriffs zum Beispiel im Bauordnungsrecht zu anderen Begriffen wie 'rollstuhlgerecht' angeht", heißt es u.a. auf der Internetseite der CDU Deutschland zu einer Reihe von behindertenpolitischen Themen und Bereichen der nötigen Barrierefreiheit.
Im Vorspann des Papiers der CDU mit dem Titel "Für mehr Barrierefreiheit" heißt es: "Auf der Grundlage der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) und nach Artikel 3 des deutschen Grundgesetzes haben Menschen mit Behinderung das Recht auf eine barrierefreie Gestaltung ihrer Umwelt. Die CDU Deutschlands hat ein umfassendes Verständnis vom Begriff der 'Barrierefreiheit'. Wir wollen, dass auch ältere Menschen, Familien mit Kindern, zeitweise Erkrankte, Menschen mit Einwanderungsgeschichte, das tun können, was für alle selbstverständlich ist: Arbeiten und sich weiterbilden, den Arzt ihrer Wahl besuchen, Einkaufen, Sport treiben, Reisen, ins Kino gehen, Museen und Ausstellungen besuchen oder im Internet surfen."
Link zu den Aussagen der CDU zur Behindertenpolitik
Dem Ansinnen der CDU, Barrierefreiheit auch im privaten Bereich für allgemein zugängliche Räume und Dienstleistungen zu verbessern und dabei mit Augenmaß vorzugehen, um einen unverhältnismäßigen Kostenaufwand zu verhindern, könnte ein aktueller Vorschlag des Forums behinderter Juristinnen und Juristen entgegenkommen. Das Forum hat anlässlich des aktuell an den Bundestag von der Bundesregierung weitergeleiteten Gesetzentwurfs für ein Teilhabestärkungsrecht Änderungen im Behindertengleichstellungsgesetz vorgeschlagen, die diesem Ziel entsprechen. Durch die Verpflichtung privater Anbieter von Dienstleistungen und Produkten zur Barrierefreiheit, der Aufnahme einer Überforderungsklausel und der Einbindung der Schlichtungsstelle bei Streitfällen könnten entsprechend dem österreichischen Modell nach Ansicht des Forums behinderter Juristinnen und Juristen Regelungen mit Augenmaß und ohne unverhältnismäßige Kosten schon in dieser Legislaturperiode gesetzlich verankert werden.
Link zum Vorschlag des Forums behinderter Juristinnen und Juristen zur Barrierefreiheit
Bisher ist es noch zweifelhaft, ob sich die derzeitige CDU/CSU Bundestagsfraktion zu solchen Änderungen hinreißen lässt. Es wäre aber einmal eine positive Überraschung, wenn die derzeit regierenden Parteien für die Zukunft geforderte Regelungen im Wahlprogramm schon jetzt in die Praxis umsetzen würden. Das Thema Barrierefreiheit hätte dies allemal verdient, denn durch die vielfältigen Barrieren werden behinderte Menschen schon seit Jahrzehnten weitgehend von der Teilhabe ausgeschlossen und wahrscheinlich auch nach Ende der Corona-Pandemie, betonte die LIGA Selbstvertretung. Erst vor kurzem hat ein Bündnis von 30 Behindertenverbänden als Erstunterstützer*innen Kernpunkte für ein gutes Barrierefreiheitsrecht als Leitlinie für die anstehenden Gesetzgebungsverfahren veröffentlicht.
Link zu den Kernpunkten für ein gutes Barrierefreiheitsrecht
Link zur Kampagne für ein gutes Barrierefreiheitsrecht
Ein Blick auf die abschließenden Bemerkungen über den ersten Staatenbericht Deutschlands des UN-Ausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 13. Mai 2015 im Bereich der Zugänglichkeit nach Artikel 9 der UN-Behindertenrechtskonvention macht deutlich, dass hier bereits seit vielen Jahren - und nicht erst in der nächsten Legislaturperiode - in Sachen Barrierefreiheit erheblicher Handlungsbedarf besteht, dem die Bundesregierung und der Bundestag bisher nicht nachgekommen ist. Dort heißt es in den Abschnitten 21 und 22:
"21. Der Ausschuss ist besorgt
a) darüber, dass private Rechtsträger, insbesondere private Medien und Internetauftritte, nicht verbindlich verpflichtet sind, neue Barrieren zu vermeiden und bestehende Barrieren zu beseitigen;
b) über die unzulängliche Umsetzung der Vorschriften betreffend die Zugänglichkeit und das universelle Design.
22. Der Ausschuss lenkt die Aufmerksamkeit des Vertragsstaats auf seine Allgemeine Bemerkung Nr. 2 (2014) und empfiehlt dem Vertragsstaat,
(a) gezielte, wirksame Maßnahmen einzuführen, wie etwa Verpflichtungen, Überwachungsmechanismen und wirksame Sanktionen bei Verstoß, um die Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen in allen Sektoren und Lebensbereichen, einschließlich des Privatbereichs, auszubauen;
(b) öffentlich-rechtliche und private Rundfunkanstalten dazu zu ermutigen, ihre Arbeit hinsichtlich der Umsetzung des Rechts auf Zugänglichkeit insbesondere hinsichtlich der Verwendung von Gebärdensprache, umfassend zu evaluieren."