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Endstation Barrierefreiheit im Zuständigskeitswirrwarr

Logo: Noch 53 Tage für ein gutes Barrierefreiheitsrecht
Foto: Marleen Soetandi

Kassel: Hinweise auf eine freie Arztwahl klingen für viele behinderte Menschen wie Hohn, denn ihre Arztwahl richtet sich meist nicht nach der passenden Qualität der Ärzt*innen, sondern sie müssen oft froh sein, überhaupt eine barrierefreie Arztpraxis zu finden. Und diejenigen Ärzte, die ihre Praxen barrierefreier machen wollen, enden oft im Nirgendwo des behindernden Zuständigkeitswirrwarrs, wie Uwe Frevert aus Kassel von seiner Zahnarztpraxis zu berichten weiß. Er hofft, dass die Bundestagsabgeordneten, denen heute am 4. Mai noch 53 Tage für die Verabschiedung eines guten Barrierefreiheitsrechts in dieser Legislaturperiode verbleiben, endlich konsequent und umfassend handeln.

"Mein Zahnarzt Dr. Martin Bruinier hat alles getan, um seine Praxis für Rollstuhlnutzer*innen zugänglich zu machen. Es existiert eine barrierefreie Toilette, ich als Rollstuhlfahrer werde auch im Rollstuhl behandelt und es gibt eine für die im Hochparterre gelegene Praxis geeignete Rampe hinter dem Haus. Aber die Rampe führt nur in den Garten. Es gibt am Ende der Rampe nur eine Wiese und überhaupt keinen befestigten Weg auf die Straße, was den Zugang erheblich erschwert. Das Gartengrundstück kann so gut wie gar nicht mit dem Rollstuhl verlassen werden! Für einen befestigten Weg müssten der Grundstückbesitzer, also der Vermieter der Zahnarztpraxis, und die Stadt Kassel Ihre Kooperationsbereitschaft zeigen, damit von der Straße ein Weg gebaut werden kann", beschreibt Uwe Frevert die missliche Situation. "So müssen also Mieter, Vermieter und Stadt mühsam zusammenwirken, um Barrierefreiheit zu realisieren, was meist sehr aufwändig ist. Im Ergebnis gibt es eine Praxis mit einer Rampe nach Nirgendwo."

Uwe Frevert mit E-Rollstuhl auf Wiese vor Rampe zur Zahnarztpraxis

Uwe Frevert vom Vorstand der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) setzt sich schon seit über 40 Jahren für Barrierefreiheit ein, hat in den 80er Jahren schon in München für einen barrierefreien Öffentlichen Personennahverkehr gestritten und schüttelt immer wieder den Kopf darüber, wie in Deutschland mit dem Thema Barrierefreiheit umgegangen wird. Aus seiner Zeit in den USA, als er Mitte der 80er Jahre Praktika in verschiedenen Städten gemacht hat, ist er anderes gewohnt. Denn dort gab es schon recht früh klare Regelungen zur Barrierefreiheit. Den vorliegenden Entwurf für ein Barrierefreiheitsstärkungsgesetz sieht Uwe Frevert daher sehr kritisch. "Das Zuständigkeitswirrwarr in Sachen Barrierefreiheit wird noch größer und unübersichtlicher und lange Fristen halten uns behinderte Menschen weiter hin und unnötig abhängig. Kein Bundestagsabgeordneter wird mir die Stufen vor einem Geldautomaten abbauen. Dafür müssen wir wieder Jahrzehnte kämpfen und unsere kostbare Lebenszeit aufwenden. Wir brauchen endlich einen großen Wurf in Sachen Barrierefreiheitsrecht, damit Barrierefreiheit zum Standard wird und nicht eine lästige Ausnahme bleibt."

Link zu weiteren Infos zur Kampagne für ein gutes Barrierefreiheitsrecht