Berlin: Die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) hat beim Verwaltungsgericht Berlin gegen das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) sowie gegen das Eisenbahnbundesamt (EBA) Klage eingereicht. Damit soll erreicht werden, dass Menschen mit Behinderungen immer mit der Bahn fahren können, solange Züge rollen. Vorangegangen war ein langjähriges Schlichtungsverfahren, das letztlich scheiterte. Prozessbevollmächtigter ist Rechtsanwalt Prof. Dr. Oliver Tolmein von der Kanzlei Menschen und Rechte aus Hamburg, wie die ISL mitteilte.
"Können alle Menschen in Deutschland Bahn fahren wie und wann sie möchten? Nein, nicht alle: Die Realität für behinderte Menschen sieht bis heute immer noch anders aus. Alle Züge im Fernverkehr der Deutschen Bahn haben Stufen. Daher gelangen Menschen im Rollstuhl oder Rollator nur über einen angemeldeten Lift hinein. Dieser Lift darf nur von autorisiertem Bahnsteigpersonal nach vorheriger Anmeldung bedient werden. Ist kein Personal am Bahnsteig verfügbar, wird die Bahnfahrt abgelehnt. Ähnlich ergeht es beispielsweise blinden Menschen, die Assistenz benötigen, um einen Zug besteigen oder verlassen zu können", heißt es in der Presseinformation der ISL. "So besteht für Fahrgäste mit Mobilitätseinschränkungen, die auf einen Hublift oder andere Unterstützungsleistungen der Bahn angewiesen sind, an fast allen Bahnhöfen nur die Möglichkeit von sechs bis 22 Uhr mit dem Zug zu fahren. Wer früher fahren will oder später abends nach Hause kommt, bleibt auf der Strecke“, bringt es Alexander Ahrens von der ISL, selbst Rollstuhlfahrer auf den Punkt.
"An einigen Bahnhöfen bekommen behinderte Menschen sogar nur von acht bis 17 Uhr eine Ein- und Ausstiegshilfe durch die Deutsche Bahn AG. Ist kein Personal vorhanden, wird die Bahnfahrt wie auf einem Amt abgelehnt. Somit können wir nicht gleichberechtigt teilhaben, erschwert an Feiertagen unsere Familien besuchen und nicht wie alle anderen unseren Job ausüben. Damit verstoßen die Deutsche Bahn und die Bundesrepublik Deutschland ganz klar gegen die UN-Behindertenrechtskonvention“, führt Alexander Ahrens weiter aus.
Die Deutsche Bahn AG ist zu 100 Prozent im Eigentum des Bundes. Deshalb soll das Bundesverkehrsministerium auf die DB AG als Eigentumsführer des Bundes einwirken, Menschen mit Behinderungen zu allen Zeiten, zu denen Züge fahren, eine Ein- und Ausstiegshilfe durch die DB AG zu gewährleisten. Eine entsprechende Verpflichtung bestehe spätestens seit 2016, als im Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) bestimmt wurde, dass staatlicherseits mangelnde Barrierefreiheit durch angemessene Vorkehrungen zu kompensieren ist. Bisher weigere man sich, Menschen mit Mobilitätseinschränkungen eine gleichberechtigte Teilhabe am Eisenbahnverkehr zu ermöglichen.
Die ISL hat eigens für diesen Gerichtsprozess die Kampagnenseite www.jederzeitmitbahn.de gestartet, um die Öffentlichkeit regelmäßig zu informieren. Damit diese Klage überhaupt eingereicht werden konnte, wurde erfolgreich innerhalb weniger Tage über eine Crowdfunding-Aktion im Frühjahr 2021 eine Anschubfinanzierung durch Unterstützer*innen und Betroffene ermöglicht. Um die Finanzierung bis zum Ende des Prozesses sicherzustellen, ruft die ISL mit einer neuen Spendenaktion zur weiteren finanziellen Unterstützung auf der Plattform Betterplace auf: Jederzeit mit Bahn – ISL e.V. – betterplace.org