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Antidiskriminierungsbeauftragte hat Jahresbericht vorgestellt

Berlin: Die Zahl der gemeldeten Fälle von Diskriminierungen in Deutschland bleibt auf hohem Niveau. Das zeigt der Jahresbericht 2021 der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, den die vor kurzem gewählte Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, heute am 16. August im Haus der Bundespressekonferenz in Berlin vorgestellt hat. Im Jahr 2021 gab es demnach mehr als 5.600 Beratungsanfragen an die Antidiskriminierungsstelle, die mit einem vom Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geschützten Diskriminierungsmerkmal zusammenhingen. Das ist der zweithöchste Wert in der Geschichte der Antidiskriminierungsstelle, die 2006 gegründet wurde.

Der leichte Rückgang gegenüber dem Vorjahr (6.383) sei auf weniger Anfragen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie, insbesondere zur Maskenpflicht, zurückzuführen. Die Anzahl der Beratungsanfragen zu allen anderen Diskriminierungen blieb dem Bericht zufolge unverändert hoch. „Die Zahl der uns geschilderten Diskriminierungsfälle ist alarmierend. Sie zeigt aber auch, dass sich immer mehr Menschen nicht mit Diskriminierung abfinden und Hilfe suchen“, sagte die Beauftragte bei der Vorstellung des Jahresberichts. Ferda Ataman appellierte an alle Menschen, die Diskriminierung erleben, dagegen vorzugehen – wenn nötig vor Gericht. An die Bundesregierung richtete sie die Forderung, Betroffenen bessere Möglichkeiten zu geben, ihre Rechte durchzusetzen – etwa durch eine Verlängerung der Fristen und durch ein Verbandsklagerecht.

„Das deutsche Antidiskriminierungsrecht muss endlich internationalen Standards entsprechen. Bisher schützt es nicht wirkungsvoll vor Diskriminierung. Die von der Koalition angekündigte AGG-Reform muss umfassend und zeitnah kommen“, sagte Ataman. Für ihre Amtszeit kündigte die im Juli gewählte Bundesbeauftragte zunächst folgende Schwerpunkte an:

1. Den Schutz vor Diskriminierung stärken: Dafür will sie die Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetezes (AGG) begleiten, Rechtsgutachten vorlegen und Perspektiven von Betroffenen einbringen.

2. Das AGG bekannter machen: Alle Menschen sollten ihre Rechte kennen und wissen, was sie gegen Diskriminierung tun können.

3. Ein flächendeckendes Beratungsangebot gegen Diskriminierung schaffen: Dazu soll ein Förderprogramm mit den Ländern und der Zivilgesellschaft aufgebaut werden.

Ein weiterer Schwerpunkt der neuen Bundesbeaufragten für Antidiskriminierung, den diese bei der Pressekonferenz ansprach liegt im Thema Altersdikriminierung. Deshalb wolle sie demnächst eine Studie zu Altersbildern und Altersdiskriminierung vorstellen.

Beratungsstatistik im Überblick

2021 wurden der Antidiskriminierungsstelle des Bundes insgesamt 5.617 Fälle gemeldet, die mit einem im AGG genannten Diskriminierungsgrund zusammenhingen. Davon bezogen sich 37 Prozent der Fälle auf rassistische Diskriminierung. An zweiter Stelle folgte mit 32 Prozent das Merkmal Behinderung und chronische Krankheiten. Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts machten 20 Prozent der Anfragen aus, aufgrund des Alters 10 Prozent. 9 Prozent bezogen sich auf den Merkmalsbereich Religion und Weltanschauung und 4 Prozent auf die sexuelle Identität.

Die meisten Diskriminierungserfahrungen wurden im Arbeitsleben (28 Prozent) und beim Zugang zu privaten Dienstleistungen gemeldet (33 Prozent). In 37 Prozent der Fälle hat sich die Diskriminierung allerdings in einem Lebensbereich abgespielt, der nicht oder nur teilweise vom AGG geschützt ist. Der größte Anteil davon betrifft Benachteiligungen im Bereich des staatlichen Handelns, also beispielsweise durch Ämter, durch die Polizei oder die Justiz. Aber auch im Bildungsbereich, in den sozialen Medien oder im öffentlichen Raum wurden regelmäßig Benachteiligungen, diskriminierende Beleidigungen bis hin zu Gewalt erlebt und geschildert.

Mehr als 2.000 Anfragen hat das Beratungsteam erhalten, in denen Bezug auf ein Merkmal genommen wurde, das vom Diskriminierungsschutz im AGG nicht erfasst wird. Rechnet man diese zu den Fällen mit AGG-Merkmalsbezug hinzu, erhöht sich die Gesamtzahl der Anfragen auf 7.750 – und liegt damit auf ähnlichem Niveau wie 2020 (7.932 Anfragen) und deutlich über dem der Vorjahre (2018: 4.220; 2019: 4.247 Anfragen).

Ein Blick in den Bericht zeigt beispielsweise, dass sich im Jahr 2021 35 Menschen an die ADS wandten, weil Assistenzhunden der Zugang zu Geschäften des Einzelhandels, zu öffentlichen Einrichtungen, Kultur- und Freizeitstätten oder auch zu Arztpraxen oder Krankenhäusern verweigert wurde. Das treffe Blindenführhunde genauso wie Hunde, die emotionale Assistenz leisten oder aber bei bevorstehenden epileptischen Anfällen warnen. „Eine neue gesetzliche Regelung stärkt seit dem 1. Juli 2021 die Rechte der Betroffenen zusätzlich. Der § 12e des neu gefassten Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) verpflichtet nun die Eigentümer*innen bzw. Besitzer*innen von Anlagen oder Einrichtungen, die typischerweise für den allgemeinen Publikumsverkehr öffentlich zugänglich sind, wie Einzelhandelsgeschäfte, Gastwirtschaften, Arztpraxen, Friseursalons oder Freizeiteinrichtungen, Menschen mit Behinderung den Zutritt nicht zu verweigern, weil sie einen Assistenzhund bei sich führen. Diese Duldungspflicht für Assistenzhunde wird nur dann eingeschränkt, wenn sie eine unverhältnismäßige oder unbillige Belastung darstellt“, heißt es im Bericht der Antidiskriminierungsstelle für das Jahr 2021.

Hintergrund:

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) ist mit Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) im August 2006 gegründet worden. Ziel des Gesetzes ist es, Diskriminierung aus rassistischen Gründen oder wegen ethnischer Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen. Die ADS berät rechtlich, kann Stellungnahmen einholen und gütliche Einigungen vermitteln. Sie betreibt Forschung und Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Diskriminierung. Seit 2022 wird die Leitung der Stelle als Unabhängige Bundesbeauftrage für Antidiskriminierung vom Deutschen Bundestag gewählt.

Das ARD-Morgenmagazin hat heute am 16. August bereits über den Jahresbericht der Antidiskriminierungsstelle berichtet und in einem Filmbeitrag aufgezeigt, welchen Diskriminierungen sich eine Rollstuhlnutzerin bei der Nutzung des Nahverkehrs ausgesetzt sah.

Link zum Filmbeitrag des ARD-Morgenmagazins und weiteren Infos

Link zum Jahresbericht 2021 der Antidiskriminierungsstelle des Bundes