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Trotz Rekordzunahme an Diskriminierungsfällen kein Fortschritt beim Diskriminierungsschutz

Berlin: Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) verzeichnet in ihrem Jahresbericht für 2022 8.827 Beratungsanfragen an die ADS. Das sind 14 Prozent mehr als 2021 und seit 2019 doppelt so viele Beratungsanfragen. Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag die Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) angekündigt, die den rechtlichen Diskriminierungsschutz von Betroffenen stärken soll. Trotz Rekordhoch bei den Beratungsanfragen bleibt auch im Bereich Antidiskriminierung der von der Ampelregierung angekündigte Fortschritt aus, kritisiert der Antidiskriminierungsverband Deutschland (advd).

Link zur Übertragung der Vorstellung des Jahresberichts der ADS auf phoenix

Pressekonferenz zur Vorstellung des ADS-Berichts für 2022

„In ihrem aktuellen Jahresbericht bemängelt die Unabhängige Beauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, die Wirksamkeit des Diskriminierungsschutzes in Deutschland und fordert unter anderem eine Reform des AGGs als auch den flächendeckenden Ausbau von Antidiskriminierungsberatungsstellen (ADB). Als Dachverband der unabhängigen Antidiskriminierungsberatungsstellen und koordinierendes Mitglied des Bündnis AGG Reform – Jetzt! unterstreicht der advd diese Forderungen mit Nachdruck. Immerhin gibt es durch das ADS-Förderprogramm ‚respekt*land‘ 5 Millionen Euro als einen ersten Impuls für den bundesweiten Ausbau der Antidiskriminierungsberatungsstrukturen. Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag die Reform des AGGs angekündigt und spätestens mit Ernennung der neuen und Unabhängigen Beauftragten war die Erwartung seitens der ADB und Communityverbände hoch, dass das Reformvorhaben nun endlich angegangen wird. Das ist allerdings bis heute nicht der Fall“, kritisiert der Antidiskriminierungsverband Deutschland.

Dabei gehe es hier um die Rechte von Millionen von Menschen: „Der Deutsche Behindertenrat verzeichne über 10 Millionen schwerbehinderte Menschen in Deutschland. Aus den Studien des Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitors (NaDiRa) etwa wissen wir, dass ca. 22 Prozent der Menschen in Deutschland Rassismus un/mittelbar erleben. Hinzukommen all jene, die Rassismus in Form von assoziierter Diskriminierung erfahren, dadurch dass sie familiäre oder andere soziale Beziehungen zu un/mittelbar von Rassismus betroffenen Personen haben. Das wären schätzungsweise ca. 65 Prozent der Menschen in Deutschland. Wir erwarten einen zügigen, partizipativen und an den Perspektiven der Betroffenen orientierten AGG-Reformprozess. Die Ampelkoalition muss aus der Stagnation in den Fortschritt kommen, denn eine moderne Demokratie braucht ein starkes Antidiskriminierungsrecht. Zudem ist Antidiskriminierung auch ein Standortfaktor für Deutschland, dass sich als Einwanderungsland um internationale Arbeitskräfte bemüht. Dafür reichen keine schönen Worte über Chancen und Vielfalt, sondern das muss sich in Institutionen, Strukturen und eben auch Gesetzen niederschlagen”, sagt Eva Andrades (Geschäftsführerin des advd.

„Die Zahlen, die jetzt im Bericht vorliegen, bilden nur die sechs Diskriminierungskategorien ab, die aufgrund von EU-Richtlinien bis jetzt im AGG verankert sind. Die Realität zeigt jedoch, dass Menschen aufgrund weiterer Kategorien Diskriminierung erfahren. Gemeinsam mit über 100 anderen Organisationen fordert der Lesben- und Schwulenverband LSVD im Bündnis ‚AGG Reform jetzt!‘ die Ausweitung der im AGG erfassten Diskriminierungskategorien – etwa um sozialen Status, Staatsangehörigkeit und familiäre Fürsorgeverantwortung. Außerdem fordert das Bündnis unter anderem die Ausweitung des AGG auf staatliches Handeln und eine Verlängerung der Geltendmachungsfrist“, heißt es vonseiten des LSVD.

Der Jahresbericht der Antidiskrimineirungsstelle des Bundes zeigt nach Ansicht der LIGA Selbstvertretung erneut auf erschreckende Weise auf, wie viele behinderte Menschen von Diskriminierungen betroffen sind. Nach Erfahrung der LIGA Selbstvertretung ist diese Zahl weit höher, denn viele behinderte Menschen nehmen beispielsweise Barrieren oft als selbstverständlich hin, obwohl diese eindeutig zu Diskriminierungen im Alltag führen.

Link zum Jahresbericht 2022 der ADS

Link zum kobinet-Bericht vom 27. Juni 2023 über die Vorstellung des Jahresberichts der ADS

Link zum ntv-Bericht vom 27. Juni 2023