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Barrierefreiheit und angemessene Vorkehrungen im AGG verankern

Berlin: Behinderte Menschen werden in Deutschland nach Ansicht von Prof. Dr. Sigrid Arnade tagtäglich diskriminiert, weil ihre Umgebung nicht barrierefrei ist. Deshalb könnten sie nicht gleichberechtigt teilhaben. Dabei bedeute Barrierefreiheit nicht nur Stufenlosigkeit und eine barrierefreie Toilette, sondern auch Informationen in Gebärden- oder Leichter Sprache, in Audioformaten und digitale Barrierefreiheit. Dies machte die Vorsitzende des Sprecherrats des Deutschen Behindertenrats (DBR) anlässlich des 17jährigen Inkrafttretens des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) am 18. August 2006 deutlich.

„Zur Barrierefreiheit verpflichtet sind bisher nur öffentliche Behörden, aber unser Leben spielt sich nicht primär in Ämtern ab. Wir wollen auch wie alle unsere Brötchen beim Bäcker um die Ecke kaufen, ins Kino oder Restaurant und zu der Ärztin gehen, die uns am qualifiziertesten erscheint. Bislang ist das nicht möglich. Um diese Diskriminierungen zu beenden, muss das AGG ergänzt werden. Barrierefreiheit muss auch für private Anbieter von Waren und Dienstleistungen vorgeschrieben werden. Wenn das noch nicht möglich ist, müssen sie zum Ergreifen angemessener Vorkehrungen verpflichtet werden. Das sind Maßnahmen, die im Einzelfall geeignet sind, die gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen und keine unverhältnismäßige Belastung darstellen. Nach ihrem Koalitionsvertrag von 2021 wollen die Ampelfraktionen solche Vorschriften realisieren, und das muss jetzt endlich geschehen“, teilte die Vorsitzende des Sprecher*innenrats des Deutschen Behindertenrats bei der Pressekonferenz des Bündnisses AGG Reform Jetzt am 17. August in Berlin mit.

„Ich will Ihnen Beispiele für angemessene Vorkehrungen nennen“, erläuterte sie: „Als Rollstuhlfahrerin habe ich keine freie Arztwahl, wie sie in § 76 SGB V eigentlich jeder Bürgerin garantiert wird. Ärzt*innen sind nicht grundsätzlich zur Barrierefreiheit verpflichtet. Es gibt in ganz Deutschland nur 3 wirklich barrierefreie gynäkologische Praxen. Eine angemessene Vorkehrung wäre eine anlegbare Rampe zur Überwindung von Stufen oder die Verabredung mit dem benachbarten Hotel, dort die barrierefreie Toilette nutzen zu können. Anderes Beispiel: Wenn ein Restaurant keine Speisekarte in Blindenschrift oder digital verfügbar hat, ist es eine angemessene Vorkehrung, wenn das Angebot dem blinden Gast vorgelesen wird. Ich möchte außerdem betonen, dass generelle Barrierefreiheit nicht nur behinderten Menschen, sondern der gesamten Gesellschaft nutzt. Denken Sie nur an alte Menschen, Menschen mit Kleinkindern oder vorübergehenden Sportverletzungen etc. Auch dem Fachkräftemangel wird mit den aufgezeigten Vorschriften entgegengewirkt: Schon heute sind arbeitslose schwerbehinderte Menschen durchschnittlich qualifizierter als der Durchschnitt aller Arbeitslosen. Bei genereller Barrierefreiheit könnten sie noch einfacher qualifizierte Berufsabschlüsse erwerben und wären problemlos in jedem Betrieb zu beschäftigen.“

Link zu weiteren Infos zum Bündnis AGG Reform Jetzt

Link zum kobinet-Bericht über die Pressekonferenz des Bündnisses AGG Reform Jetzt vom 17. August 2023