Berlin: Der Deutsche Behindertenrat, das Aktionsbündnis Deutscher Behindertenverbände, hat sich anlässlich der Ressortabstimmung über den Referentenentwurf zur Novellierung des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) mit einem offenen Brief an die Ministerinnen und Minister der Bundesressorts gewandt und fordert die Bundesregierung auf, ihre behindertenpolitischen Versprechen in dieser Legislaturperiode umzusetzen. Dazu gehört, das Gesetzgebungsverfahren jetzt auf den Weg zu bringen und eine BGG-Änderung zu beschließen. Der offene Brief wird im Folgenden im Wortlaut veröffentlicht:
BGG-Gesetzgebungsverfahren nicht länger blockieren!
Offener Brief an die Ministerinnen und Minister der Bundesressorts anlässlich der Ressortabstimmung über den Referentenentwurf zur Novellierung des Behindertengleichstellungsgesetzes
Sehr geehrte Damen und Herren Bundesministerinnen und Bundesminister,
mit großer Sorge wenden wir uns im Namen des Deutschen Behindertenrats an Sie.
Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag für die 20. Legislaturperiode längst überfällige Reformen angekündigt, damit Deutschland in allen Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens, vor allem aber bei der Mobilität (unter anderem bei der Deutschen Bahn), beim Wohnen, in der Gesundheit und im digitalen Bereich, barrierefrei wird. In Ihrem Koalitionsvertrag heißt es: „Wir verpflichten in dieser Wahlperiode private Anbieter von Gütern und Dienstleistungen, innerhalb einer angemessenen Übergangsfrist zum Abbau von Barrieren oder, sofern dies nicht möglich oder zumutbar ist, zum Ergreifen angemessener Vorkehrungen.“ Der Deutsche Behindertenrat hat den Koalitionsvertrag und die darin enthaltenen behindertenpolitischen Vorhaben begrüßt und unterstützt.
Ein wesentlicher Baustein für mehr Barrierefreiheit ist die im Koalitionsvertrag vorgesehene Reform des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG). Auch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) sollten weiterentwickelt werden.
Barrierefreiheit ist mehr als eine Rampe am Eingang. Barrierefreiheit ist eine wesentliche Grundlage dafür, dass in Deutschland über 13 Mio. Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt am Leben teilhaben können. Von Barrierefreiheit profitiert darüber hinaus die ganze Gesellschaft. Die Abschaffung baulicher, kommunikativer und digitaler Barrieren hilft älteren Menschen, Kindern, Eltern und allen, die zeitweise in ihrer Mobilität eingeschränkt sind.
In unserem Grundgesetz steht: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“. Das Beseitigen von Barrieren ist ein wesentlicher Beitrag, um Benachteiligungen zu verhindern. Der UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen hat Deutschland zum wiederholten Mal aufgefordert, auch private Anbieter von Gütern und Dienstleistungen zur Barrierefreiheit und zu angemessenen Vorkehrungen im Einzelfall zu verpflichten.
Schon 2023 hat das für das BGG zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) im Vorfeld eines Gesetzesvorschlags einen ausführlichen Diskussionsprozess mit dem Deutschen Behindertenrat, aber auch mit Wohlfahrtsverbänden und Wirtschafts- und Arbeitgeberverbänden über eine Reform des BGG geführt. Es hat seine Pläne vorgestellt und diskutiert, Bedenken und Vorschläge berücksichtigt. In der nun eingeleiteten Ressortabstimmung wird dieser Entwurf unverständlicherweise blockiert und nicht für die Verbände- und Länderanhörung freigegeben.
Sie selbst haben sich in Ihrem Koalitionsvertrag ein Ziel gesetzt, das jetzt nicht aus dem Blick geraten darf. Parteipolitische Auseinandersetzungen zahlen sich am Ende nicht aus, sondern gefährden noch mehr das Vertrauen der Menschen in politische Handlungsfähigkeit.
Wir erinnern an den politischen Auftrag, den Ihnen auch die Wählerinnen und Wähler mit Behinderungen und deren Verbände und Organisationen gegeben haben und den Sie selbst in Ihrem Koalitionsvertrag niedergelegt haben.
Mit diesem offenen Brief fordern wir Sie im Namen des Deutschen Behindertenrats dringend dazu auf, das Gesetzgebungsverfahren nicht weiter zu verzögern.
Nehmen Sie im Sinn der Menschen mit Behinderungen Ihre Verantwortung wahr. Setzen Sie die behindertenpolitischen Versprechen in dieser Legislatur um. Dazu gehört, das Gesetzgebungsverfahren jetzt auf den Weg zu bringen und eine BGG-Änderung zu beschließen, so dass diese noch in dieser Legislaturperiode in Kraft treten kann.
Menschen mit Behinderungen müssen endlich eine echte Chance auf gleichberechtigte Teilhabe bekommen.
Mit freundlichen Grüßen
Verena Bentele
Vorsitzende des DBR-Sprecherinnenrats 2024
Link zur Information des Deutschen Behindertenrat zum offenen Brief