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VCD Bahntest vorgestellt: Noch viel für Barrierefreiheit bei Bus und Bahn zu tun

Berlin: Im Bahntest 2023/24 untersuchte der Verkehrsclub Deutschland (VCD), auf welche Barrieren Menschen stoßen, wenn sie mit Bus und Bahn unterwegs sind. Der Verband fragte dabei, warum Bahn und ÖPNV in Deutschland noch nicht barrierefrei sind und stellte Forderungen auf, die für mehr Barrierefreiheit im Verkehr sorgen sollen. Die Ergebnisse der Studie wurden heute am 27. April vom VCD unter Mitwirkung der Präsidentin des Sozialverband VdK Deutschland Verena Bentele im Rahmen einer Pressekonferenz vorgestellt, die kobinet-Redakteur Ottmar Miles-Paul online verfolgt hat.

„Menschen mit Behinderungen haben die gleichen Bedürfnisse wie Menschen ohne Behinderungen: Sie wollen sich flexibel bewegen und selbständig von A nach B kommen. Viele würden außerdem gerne klimaneutral unterwegs sein, sind wegen der Barrieren im ÖPNV aber aufs Auto angewiesen. Im Alltag treffen diese Menschen auf zahlreiche Barrieren, die eine selbstbestimmte und klimaverträgliche Mobilität erschweren oder sogar unmöglich machen. Der VCD Bahntest beschreibt die Barrieren, auf die Menschen mit Behinderung und Mobilitätseinschränkungen entlang ihres Weges treffen, von den Fahrplan-Informationen über den Weg zur Haltestelle bis hin zum Bahnsteig oder zur Bustür. Wir zeigen auf, dass es noch sehr viel zu tun gibt, bis Bus und Bahn barrierefrei zugänglich sind“, heißt es vonseiten des VCD zur Veröffentlichtung der aktuellen Studie.

Der Zeitpunkt für die Veröffentlichung der Studie hätte vom VCD nicht besser gewählt werden können, da die Barrieren beim öffentlichen Nah- und Fernverkehr im Rahmen der Protestaktionen zum Europäischen Protesttag zur Gleichstellung behinderter Menschen um den 5. Mai herum dieses Jahr eine zentrale Rolle spielen. Heute, am 27. April, testen beispielsweise behinderte Menschen des Zentrum selbstbestimmt Leben Stuttgart die Barrierefreiheit der Bahn im Rahmen einer Fahrt von Stuttgart nach Radolfzell. Am 5. Mai werden eine Reihe behinderter Menschen mit der Bahn zur Protesttagsdemonstration nach Berlin fahren und die Barrierefreiheit testen.

Link zum kobinet-Bericht über die Ankündigung der Protest-Bahnfahrt am 27. April

Kerstin Haarmann vom VCD betonte im Rahmen der Pressekonferenz, dass wir ein gut ausgebautes Verkehrssystem mit einfachem Takt, einem guten Zugang für alle und bezahlbare Ticketvarianten brauchen, um Mobilität für alle zu ermöglichen. „Können wirklich alle Bahnfahren, wie sie es möchten?“ fragte sie in ihrem Statement und betonte, dass das Deutschlandticket ein Element dafür ist. Sie fordert jedoch ein Sozialticket für 29 Euro pro Monat. „Barrierefreiheit muss Pflicht sein und klar definiert werden“, betonte sie. Sehr viele Menschen seien in ihrer Mobilität eingeschränkt. Dies gehe weit über die registrierten schwerbehinderten Menschen hinaus. „Barrierefreiheit ist ein Menschenrecht“, stellte sie klar.

Verena Bentele vom VdK betonte, dass Mobilität für alle barrierefrei sein muss. „Der VdK bekommt viele Rückmeldung zur Mobilität. Deshalb ist es gut, dass Barrierefreiheit von verschiedenen Akteur*innen gefordert und beleuchtet wird. Wir haben immer noch sieben verschiedene Bahnsteighöhen. Die Angebote von Bussen und Bahnen sind oft in der Wegekette nicht barrierefrei. Wenn man schon in den Bus nicht reinkommt, ist diese Wegekette oft nicht mehr bewältigbar“ betonte die VdK-Präsidentin. „Wir brauchen nach der Bestandsaufnahme jetzt Lösungsvorschläge mit Anstrengungen aller politisch Verantwortlichen“, betonte sie. Wichtig ist für Verena Bentele. Wesentlich und zielführend ist für Verena Bentele, dass im Rahmen der Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) für den Bereich des ÖPNV und Fernverkehr die Verpflichtung zur barrierefreien Daseinsvorsorge im Verkehrsbereich verankern wird. „Wir brauchen einen einklagbaren Anspruch mit Rechtsfolgen. Sanktionen sind deshalb wichtig. Die Ampelkoalition ist mit großen Vorhaben gestartet, diese müssen jetzt erfüllt werden“, führte Verena Bentele bei der Pressekonferenz aus.

Im Rahmen der Studie hat der VCD folgende Forderungen für eine barrierefreie Mobilität für alle entwickelt:

1. Standards zur Barrierefreiheit vereinheitlichen und weiterentwickeln:

Die jeweils höchsten Standards müssen bundesweit verbindlich gelten – beim Um- und Ausbau von Infrastruktur, bei neuen Fahrzeugen sowie für Informationssysteme und Ticketing.

2. Bundesprogramm „Barrierefreier Öffentlicher Verkehr“:

Der Bund muss die Mehrkosten für hohe Standards bei Neuaufträgen und im Bestand mindestens zur Hälfte mittragen.

3. Sanktionen, einklagbare Standards und Verbandsklagerecht:

Gegen die Nichtbeachtung der Standards und für die Beseitigung von Barrieren muss der Rechtsweg offenstehen.

4. Beteiligung verbessern:

Beauftragte, Beiräte und Verbände für Menschen mit Behinderung müssen besser in die Planung einbezogen und besser mit Geld und Personal ausgestattet werden.

5. Kompetenzaufbau unterstützen:

Bundes- und Landesfachstellen müssen eingerichtet und besser ausgestattet werden, es braucht Fortbildungen und Sensibilisierung.

6. Datengrundlage verbessern und Informationssystem aufbauen:

Es braucht öffentlich zugängliche Informationen zur Barrierefreiheit von Bahnhöfen, Haltestellen und deren Umfeld sowie Echtzeitdaten zu eingesetzten Fahrzeugen, Verspätungen und Störungen.

7. Bund muss die DB AG stärker in die Pflicht nehmen:

Züge: Mindestens ein stufenlos zugänglicher Wagen pro Zug mit mindestens 4 Rollstuhl-Plätzen. Im Regionalverkehr muss ein stufenloser Ein- und Ausstieg bei Bahnsteighöhen von 76 cm und 55 cm ohne Hilfspersonal möglich sein.

Bahnhöfe: Schnellerer barrierefreier Umbau auch von kleineren Bahnhöfen mit unter 1.000 Passagieren pro Tag. Ein Umsetzungsplan muss priorisieren – nach Fahrgastzahlen, Bedarfen und Entfernung anderer barrierefreier Bahnhöfe im Umkreis.

Service: Die Mobilitätsservice-Zentrale (MSZ) muss jederzeit unkompliziert erreichbar sein. Das Personal an den Bahnhöfen und in den Zügen muss aufgestockt und geschult werden: Solange Züge fahren, muss mindestens an den Fernbahnhöfen Personal anwesend sein, das einen Hublift bedienen darf – auch bei kurzfristiger Anmeldung.

8. Ergänzende neue Mobilitätsangebote wie On-Demand-Verkehre müssen von Anfang an barrierefrei konzipiert werden.

9. Barrierefreiheit von Taxen und Mietwagen:

Im Personenbeförderungsgesetz muss verankert werden, dass in allen Gemeinden eine Mindestzahl an barrierefreien Taxen im Einsatz sein müssen, die Fahrgäste im Rollstuhl sitzend befördern können.

10. Auch auf europäischer Ebene eine barrierefreie Wegekette anstreben:

Die Bundesregierung muss sich für eine Angleichung der Bahnsteighöhen in Europa einsetzen, außerdem für einheitlich hohe Standards bei barrierefreiem ÖV und für die Einführung eines Europäischen Schwerbehindertenausweises.

Link zur Presseinformation des VCD zur Vorstellung der Studie

Link zur Studie des VCD zur barrierefreien Mobilität für alle